Bauarbeiten am Umleitungsgraben im Westen Lüchows

Lüchow
Jeetzeler Straße
Datum: 12. Juni 1954
Zeitraum: 1946 - 1960

EJZ vom 12. Juni 1954:

"Umleitungsgraben erreichte Jeetzeler Straße
Weiter in Richtung Wustrow — Wasserwirtschaft um vier Städte

Lüchow. Die Arbeiten an dem Umleitungsgraben westlich der Stadt nehmen guten Fortgang. Der Graben ist von der Mündung in die Plater Jeetzel an aufwärts bereits bis an die Landstraße Lüchow-Clenze fertiggestellt. Auch die Planierung des Aushubbodens ist zum Teil schon erfolgt. Die Sohle der Brücke in der Bundesstraße Lüchow-Dannenberg wurde um 0,62 m vertieft. In der erwähnten Landstraße nach Clenze wird ein neuer Rohrdurchlaß von 0,90 m Lichtweite hergestellt, dessen Sohle 1,13 m tiefer zu liegen kommt als die des alten Durchlasses.

Schon jetzt ist zu ersehen, daß der Umleitungsgraben den niedrig gelegenen Flächen des Jeetzeltales oberhalb und westlich von Lüchow große Vorteile bringen wird. Nach Fertigstellung der Reststrecke des Grabens in einiger Wochen erhalten zunächst die Feldmarken Neritz und Jeetzel durch den im Vorjahr bereits ausgebauten Wilseitsgraben und auch ein Teil der Feldmark Lüchow Anschluß an den Umleitungsgraben. Überschwemmungen dieser Flächen dürften dann nur noch gelegentlich im Winter und bei ungewöhnlich starken Niederschlägen im Sommer mal vorkommen, indessen nur für kurze Zeit.

Die Flächen von Wustrow, Königshorst und Klennow erhalten ihren Anschluß erst nach Herstellung des Dükers unter der Jeetzel hindurch. Ein Plan für diesen Düker wird durch das Kreiskulturbauamt bereits ausgearbeitet. Nach Durchführung all dieser Maßnahmen wird der Wasser- und Bodenverband der Jeetzel-Niederung in Lüchow wieder für einen weiteren Teil seines Verbandsgebietes die Binnenentwässerung geschaffen haben. Es handelt sich dabei um eine Fläche von rund 500 ha, die zumeist aus Wiesen- und Weideland besteht.

Nach Fertigstellung des Umleitungsgrabens werden alle vier Städte im Jeetzeltal ihre Umleitungsgräben und Kanäle haben. Für die Stadt Wustrow hat der Wasser- und Bodenverband der Jeetzel-Niederung in Lüchow bereits 1909 den Poggengraben östlich der Stadt zur Umleitung des Wassers hergestellt. Die Stadt Dannenberg erhält durch den zur Zeit seitens des Jeetzeldeichverbandes im Bau befindlichen sogenannfen Fremdwasserkanal eine Umleitung, und die Stadt Hitzacker besitzt eine solche schon von altersher in der kleinen Jeetzel östlich der Stadt. Während aber bei diesen drei Städten das Jeetzelwasser zum Teil oder ganz umgeleitet wird, nimmt der Umleitungsgraben bei Lüchow nur das Binnenwosser auf. Auch hier war schon einmal die Umleitung des gesamten Jeetzelwassers vom Lüchower Jeetzelverband geplant, als 1929 das „Große Krügersche Projekt“ zur Ausführung gelangte. Die Durchführung scheiterte damals an den hohen Baukosten. Es wurde dann stattdessen die Jeetzel durch die Stadt hindurch verbreitert und vertieft, wobei gleichzeitig die Freiflutschleuse in der Langen Straße um rund einen Meter tiefer gelegt wurde.

Die Notwendigkeit solcher Umleitungsgräben ergibt sich aus der besonderen Art der Gründunq und weiterer Entwicklung der städtischen Siedlungen im Jeetzeltal, durch die im Laufe der Jahrhunderte das ursprünglich freie Jeetzeltal fast völlig abgeriegelt und der Fluß mit seinen Verzweigungen immer mehr eingeengt wurde. Die in neuerer Zeit besonders seitens der Landwirtschaft gesteigerten Anforderungen an die Wasserwirtschaft bedingen nun weitgehende Maßnahmen zur Wiederherstellung eines freien und geregelten Abflusses des Wassers. Gleiche Verhältnisse liegen aber auch in zahlreichen anderen Niederungen des nordwestdeutschen Flachlandes vor. Der Wasser- und Bodenverband der Jeetzel-Niederung in Lüchow hat schon seit einem halben Jahrhundert den Kampf mit dem Jeetzelwasser geführt, und auch künftige Generationen werden ihn führen müssen.

Kreisbaumeister i. R. Herling"

Das Foto ist eine nicht veröffentlichte Bildvariante zur ID 56845.


Zum Kreisbaumeister Herling erfahren wir im Nachruf aus der EJZ vom 28. Dezember 1962

Lüchow. Der Kreisbaumeister i. R. Ludwig Herling hat am ersten Weihnachtstag im 77. Lebensjahre für immer die Augen geschlossen. Er stand ein Leben lang im Dienste der heimischen Wasserwirtschaft und Bodenverbesserung und wirkte bis an sein Lebensende in den Wasser- und Bodenverbänden der Jeetzel-Niederung. Sein Beruf war ihm mehr als Broterwerb, er ging in ihm auf, vertiefte sein Wissen, sammelte Erfahrungen und wurde in den 55 Jahren seiner segensreichen Arbeit für unseren Landkreis der Wasserexperte. Kreisbaumeister Herling kannte jeden Graben, jedes Bächlein unserer näheren Heimat. Seinem persönlichen Einsatz ist es zu verdanken, daß die Grabenräumung entlang der Zonengrenze trotz Minen und Stacheldrahtes funktionierte. Auf seinen Rat konnte man auch jenseits des Eisernen Vorhanges nicht verzichten und zog ihn verschiedentlich zur Begutachtung heran.

1907 trat der junge Wasserbautechniker aus dem Staatsdienst in Fulda kommend beim Kulturamt in Lüneburg seinen Dienst an. Noch im selben Jahre kam er nach Lüchow. Es war der 21. Mai, und Herling wußte zu berichten, daß damals Kähne mit roten Segeln die Jeetzel stromab glitten. Die Jeetzel war zu jener Zeit ein „wildes" Flüßchen, das sich in vielen Windungen durch die Niederung schlängelte und das der Regulierung dringend bedurfte. Die Meliorierung des Jeetzeltales und die Regulierung der Jeetzel wurden Ludwig Herlings Lebensaufgabe. Er hat sie mehr als erfüllt. Und wenn ihm damals die technischen und finanziellen Mittel von heute zur Verfügung gestanden hätten, wäre die Niederung schon früher hochwasserfrei geworden.

Herling, der von 1914 bis 1915 vorübergehend die Leitung von Entwässerungsarbeiten im Königsmoor be. Bremen übernehmen mußte, kehrte 1915 wieder nach Lüchow zurück, wurde Kreiswiesenbaumeister und 1921 Kreisbaumeister. Als solcher leitete er bis 1951 das Kreisbauamt und blieb noch zwei Jahre nach seiner Pensionierung im Dienst. 1953 wurde er zwar als Kreisbaumeister verabschiedet. mit den Wasser- und Bodenverbänden, die er zum Teil im Laufe seiner vielen Berufsjahre aus der Taufe gehoben hatte, behielt er als Techniker weiter Kontakt. Ganz ohne seinen Rat ging es eben nicht.

Lüchow wurde Ludwig Herling zur echten Wahlheimat Hier fühlte er sich wohl, hier erwarb er sich einen großen Bekannten- und Freundeskreis. Selbst vom Lande stammend hatte er für alle Belange der Landwirtschaft größtes Verständnis und fühlte sich der Landbevölkerung eng verbunden. Die Freizeit, die ihm sein Beruf ließ, verbrachte er als naturverbundener Mensch zum großen Teil auf der Jagd. Aber auch für die ehrenamtliche Tätigkeit zum Wohle der Allgemeinheit fand er noch Zeit. So wirkte er als Kirchenvorsteher, als Bürgervorsteher (1924-28) und als Bürgervorsteher- Worthai ter (1928-32) für Gemeinde und Stadt Nebenberuflich war Herling als Lehrer an der damaligen landwirtschaftlichen Winterschule und später an der Kreisberufsschule tätig.

Bis ins hohe Alter gönnte sich der Kreisbaumeister i. R. nicht die Ruhe im Lehnstuhl. Er fühlte sich mit der Wasserwirtschaft verbunden und zeigte sidi auch neuen technischen Erkenntnissen aufgeschlossen. Seit 1907 besaß er einen Führerschein, seit jener Zeit war er bis zum Herbst 1962 viel — erst mit dem Motorrad, dann mit dem Auto — unterwegs. Einem freudig schaffenden Menschen, dem umfangreiches Wissen und viel Herrensgüte beruflichen Erfolg brachten, hat der Tod ein Ziel gesetzt und ihm die ewige Ruhe gegeben. tt
Autor/-in:  Kurt  Schmidt (tt)
Herkunft:  Axel  Schmidt
Quelle:  Torsten  Schoepe
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Bauarbeiten • Hochwasserschutz
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